Die Bibel: Ist sie richtig überliefert?

Kann ich der Bibel vertrauen? Ist der Text zuverlässig?

von Andi
Ein Teil des Papyrus 66, das fast das gesamte Johannesevangelium enthält. Ein Hinweis dass die Bibel richtig überliefert ist.

Teil 1 findest du hier: Die Bibel – ist sie glaubwürdig? Auch wenn die Bibel für dich glaubwürdig ist, sind noch nicht alle Fragen geklärt, denn: Wurde sie auch richtig überliefert? Haben wir den Text so vorliegen, wie er damals geschrieben wurde? Kritiker behaupten, er wurde im Lauf der Jahrhunderte verfälscht. Können wir dem heute verfügbaren Text vertrauen?

1. Die Überlieferung des Alten Testaments

Jahrhundertelang war die älteste vollständige Bibel des Alten Testaments (= der hebräischen Bibel, des Tanach) der Codex Leningradensis (1008 n. Chr.). Die älteste Grundlage dieses Textes stammt aus 895 n. Chr. (der Kairo-Codex).

Bibelkritiker bezweifelten aufgrund dieser relativ jungen Abschrift die ordentliche Überlieferung der Texte. Bis dann weitere Funde die Richtigkeit bestätigten:

1.1 Qumran Funde: Die Jesajarolle als Beweis für zuverlässige Überlieferung

In einer Höhle in Qumran am Toten Meer fand man in den 1950er Jahren ca. 200 Texte der hebräischen Bibel. Unter den Funden war ein vollständig erhaltene Jesajarolle mit dem kompletten Text. Die Rolle wird auf ca. 200 v. Chr. datiert, sie ist also ca. 1100 Jahre älter als der bisher älteste Text! Forscher haben den Text der Qumran-Rolle verglichen mit dem, den wir heute in der Bibel lesen können. Es stellte sich heraus, dass die Überlieferung äußerst zuverlässig ist.

Schauen wir uns dies an einem Beispiel an:

„Von den 166 Wörtern in Jesaja 53 sind nur 17 Buchstaben fraglich. Zehn dieser Buchstaben betreffen lediglich die Rechtschreibung, ohne Einfluss auf die Bedeutung. Vier weitere Buchstaben sind geringfügige stilistische Veränderungen, z.B. Konjunktionen. Die restlichen drei Buchstaben ergeben das Wort ‚Licht‘, welches in Vers 11 hinzugefügt wird, aber die Bedeutung nicht sehr beeinflusst. … Somit gibt es in einem Kapitel von 166 Wörtern nur ein Wort (mit 3 Buchstaben), das nach 1000 Jahren der Überlieferung in Frage steht – und dieses Wort ändert die Bedeutung der Schriftstelle nicht sonderlich.“

Geisler/Nix: A General Introduction to the Bible“ (Moody Press 1968, S. 263), zitiert bei Mario Wahnschaffe

Das im Zitat erwähnte eine hinzugefügte Wort wird außerdem durch eine weitere Schriftrolle aus der Qumranhöhle und durch die Septuaginta bestätigt. Man kann somit davon ausgehen, dass dieses Wort den Originaltext widerspiegelt (die Septuaginta ist die griechische Übersetzung des hebräischen Alten Testaments; die Jesajarolle wurde darin ca. 150 v. Chr. übersetzt).

Mich freut besonders, dass es sich um die Jesajarolle handelt, deren Übersetzung bestätigt werden konnte. Dort finden wir nämlich eine erstaunliche Prophetie auf den Kreuzestod von Jesus Christus. Bei diesem Text könnte man meinen, Jesaja wäre auf Golgatha dabei gewesen. Jesaja erklärt auch den Grund für den Tod Jesu am Kreuz: Dass er stellvertretend für die Sünde der Menschen gestorben ist. Lies Jesaja 53 hier.

1.3 Die Talmudisten und Masoreten – „Herren der Überlieferung“

Ein weiterer Hinweis für die Zuverlässigkeit der Überlieferung ist die Arbeit der Talmudisten und Masoreten:

Talmudisten nennt man die jüdischen Schreiber, welche die hebräische Bibel von 100 bis 500 n. Chr. abgeschrieben hatten. Sobald eine Abschrift der hebräischen Bibel beschädigt war, wurde sie vernichtet. Der Grund: eine unleserliche Schrift birgt die Gefahr, dass es zu Abschreibfehlern kommt. Deshalb gibt es so wenig erhaltene alte Schriften, sie wurden immer wieder erneuert.

Gleichzeitig ist diese Gepflogenheit aber auch eine Garantie dafür, dass die neu angefertigten Abschriften keine Fehler enthalten.

Die Masoreten sind die Abschreiber von 500 bis 900 n. Chr. Von den Masoreten weiß man am meisten über die Vorgehensweise, mit der sie sicherstellten, dass sich in die Abschriften keine Fehler einschlichen:

„Die Masoreten zählten alles in einem Text. Sie wussten z.B., dass die Tora, die ersten 5 Bücher des Alten Testaments, 304.805 Buchstaben und 79.847 Wörter enthält. Sie wussten, dass in der Mitte der Tora das Wort steht, das mit ’suchte‘ übersetzt wird (3. Mose 10,16). … Dadurch wurde der Text mit einer Perfektion überliefert, die ans Computer-Zeitalter erinnert, denn der Computer kontrolliert heutige Texte ebenfalls durch Zählen der verwendeten Zeichen und Wörter. Die Masoreten waren darum bemüht, dass nicht der kleinste Buchstabe noch der kleinste Teil eines Buchstabens vergehen oder verlorengehen sollte.“

Frederic G. Kenyon: Our Bible and the Ancient Manuscripts (Harper & Brothers, 1941 S. 38), zitiert bei M. Wahnschaffe (s.u., S. 90-91)

2. Die Überlieferung des Neuen Testaments

2.1 Die am besten bezeugte antike Schrift

Das Neue Testament (NT) ist die am besten bezeugte antike Schrift, was du an folgendem Vergleich sehen kannst:

Schriften des Platon7 Kopien, die älteste aus ca. 900 nach Chr. = 1200 Jahre alt
Neues Testament5700 Kopien, davon ca. 114 Fragmente vom 1. und 2. Jh. nach Chr. = die älteste nur ca. 35 Jahre alt
Vergleich antiker Schriften

Ähnlich wie bei Platon sieht es bei anderen antiken Schriften aus, deren Korrektheit man üblicherweise nicht in Frage stellt.

Das älteste vollständige Neue Testament ist der Codex Vaticanus. Es befindet sich im Vatikan und wurde vermutlich um das Jahr 325 n. Chr. kopiert. Auch hier können wir nachprüfen, ob die Bibel richtig überliefert wurde.

2.2 Zitate der Kirchenväter

Aus den Schriften der sog. Kirchenväter vom 1. und 2. Jh. kann man große Teile des Neuen Testaments rekonstruieren:

„Sir David Dalrymple wurde die Frage gestellt, ob man das NT aus den Schriften der Kirchenväter rekonstruieren könnte. Er kam nach umfangreichen Untersuchungen zu folgendem Schluss:

Diese Frage erweckte meine Neugier, und da ich alle existierenden Werke der Väter aus dem 2. und 3. Jh. besitze, fing ich an nachzuforschen, und bis jetzt habe ich das gesamte NT gefunden, außer elf Verse.“

Charles Leach: Our Bible, How we got it, S. 35f., zitiert hier

Somit haben wir nicht nur die 5700 Kopien, sondern können auch die Zitate der Kirchenväter zur Überprüfung heranziehen, ob die Bibel richtig überliefert wurde.

2.3 Trotz unterschiedlicher Lesarten richtig überliefert

Bist du verunsichert, weil es angeblich so viele Unterschiede in den Manuskripten gibt? Man spricht von „150.000 Lesarten“. Wie kannst du dann der Bibel vertrauen, die du heute liest bzw. in deinem Regal zum Lesen bereit steht? Hierzu habe ich drei Hinweise:

  • M. Wahnschaffe erläutert in seinem Buch auf Seite 115:

    142.000 dieser Lesarten sind Fehler beim Abschreiben, die keinerlei Auswirkung haben, z.B. falsch geschriebene Buchstaben, vertauschte Buchstaben, Verdopplungen von Buchstaben, Auslassungen einzelner Buchstaben, Abkürzungen oder falsch buchstabierte Wörter.

    Weitere 7.500 Lesarten sind Variationen in der Grammatik oder Orthographie, die den Sinn nicht verändern.

    So bleiben noch 500 Lesarten übrig, die eine genauere Untersuchung erforderten.

    Davon sind nur 50 von größerer Wichtigkeit. Doch auch diese 50, die man genau kennt, führen zu keiner Änderung der biblischen Lehre.

    Norman Geisler schreibt dazu: „Mathematisch würde das einen Text ergeben, der zu 98,33 Prozent rein ist.“ (Geisler/Nix: A General Introduction to the Bible; zitiert bei M. Wahnschaffe auf S. 116).
  • Hätten wir nur 7 Kopien (wie bei Platon), und wären in diesen Kopien keine Unterschiede feststellbar, dann wäre das eher ein schlechtes Zeichen. Wer könnte uns garantieren, dass hier nicht manipuliert wurde, dass z.B. abweichende Schriften vernichtet wurden? Dass wir bei der Bibel so viele kleinere Abweichungen haben, zeigt dass hier alles mit rechten Dingen zuging. Dadurch, dass die Abweichungen bekannt sind, ist das außerdem kein Problem.
  • Wir haben heute sehr viele Bibelübersetzungen, welche auf Basis der bekannten Lesarten erstellt wurden. Wir können uns genau informieren, wo es Unsicherheiten gibt, z.B. in der Elberfelder Bibel – NT, Textkritische Ausgabe.

3. Das Ergebnis: Die Bibel ist richtig überliefert

Die bisher genannten Argumente bringen mich zu dem Ergebnis, dass die Bibel richtig überliefert und vertrauenswürdig ist . Keine fundamentale Lehre des Christentums wird durch unterschiedliche Lesarten in Frage gestellt.

Welche Argumente gefallen dir am besten? Haben sie dich überzeugt? Habe ich ein wichtiges Argument vergessen? Ich freue mich über Kommentare zu diesem Artikel. Noch mehr freue ich mich, wenn du jetzt beginnst, die Bibel zu lesen, am Besten beginnend beim Johannesevangelium, wenn du noch keine Bibel-Leseerfahrung hast. Keine Bibel zu Hause? Ein Bibel-Starterkit kannst du kostenlos hier bestellen.

Anhang: Literaturverzeichnis

Natürlich habe ich diese Informationen aus vielen hilfreichen Büchern recherchiert. Darin finden sich noch viele Hinweise zur Überlieferung der Bibel:

  • McDowell, Josh: Die Fakten des Glaubens (Hänssler, 2003)
  • McDowell, Josh: Die Bibel im Test (CLV, 9. Auflage 2002 als kostenloser Download)
  • Wahnschaffe, Mario: Mit Skeptikern im Gespräch – Schwierige Fragen an die Bibel (CLW Selbstverlag Bonn, 2019) – CLW Shop
  • Williams, Peter J.: Glaubwürdig – Können wir den Evangelien vertrauen? (cvmd Verlag, 2020)

Bildquellen

  • Papyrus Bodmer II (P66): Wikipedia (gemeinfrei)

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